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Die Rennpappe namens Trabi erwacht wieder zum Leben

  • Andreas Hummel (dpa)

  • Mo, 04. März 2024, 20:30 Uhr
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Der Trabi wurde von vielen Menschen in der DDR mit Hingabe gepflegt, nach der Wiedervereinigung aber gegen andere Modelle getauscht. Inzwischen steigen Zulassungszahlen und Preise wieder.

Am Trabi können auch Hobbybastler noch einiges selber schrauben.  | Foto: Jan Woitas (dpa)
Am Trabi können auch Hobbybastler noch einiges selber schrauben. Foto: Jan Woitas (dpa)
Der Traum vom eigenen Auto erfüllte sich für viele DDR-Bürger erst nach langem Warten. Der Trabi aus Zwickau war deswegen für viele Objekt der Begierde. Doch nach der Wende machte der technisch veraltete Trabant neben den Westmodellen eine miese Figur, avancierte zum Witzobjekt und wurde auf den Straßen bald zur Rarität. Seit einigen Jahren lebt der Kleinwagen als Oldtimer auf und hat eine wachsende Fangemeinde: Die Zulassungszahlen steigen. Wer ein solches Auto kaufen will, muss einiges zahlen. Woher kommt die neue Liebe zum kleinen Stinker, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert?

Pastellblau, polarweiß oder cliffgrün

Zweitakt-Motor mit zunächst 23 PS, Luftkühlung, Maximaltempo 100 und eine Karosse aus Duroplast statt Blech: Vor 60 Jahren präsentierten die VEB Sachsenring Automobilwerke den Trabant 601 auf der Leipziger Frühjahrsmesse der internationalen Öffentlichkeit – neben einem Horch Baujahr 1911, um auf die stolze Autotradition der Region zu verweisen. Vorgänger hatte es gegeben, doch mit mehr als 2,8 Millionen Exemplaren wurde der 601 der meistverkaufte Wagen Trabant und bis 1990 produziert – in pastellblau, polarweiß oder cliffgrün.

Von einer vollkommen neuen Karosserie schwärmt im Frühjahr 1964 das Magazin Der Deutsche Straßenverkehr, einer Karosserie, "die im Stil der modernen Trapezlinie dem internationalen Geschmack entspricht". Im Vergleich zu seinen Vorgängern biete er mehr Kopffreiheit, einen größeren Kofferraum, Kurbelfenster und Druckknopftürgriffe. "Mit dem Platzangebot im Innenraum liegt der Trabant 601 im internationalen Maßstab an der Spitze der vergleichbaren Fahrzeuge", schreibt die DDR-Zeitschrift.

Zwar geht das neue Modell im Juni 1964 in Serie, die Produktion hält aber mit der Nachfrage nie Schritt. Die Folge: Wartezeiten von mehr als zehn Jahren. Das lag auch an Besonderheiten der Karosserie, wie Bernd Cyliax erzählt. Der 79-Jährige arbeitete einst beim VEB Sachsenring. Weil es an Devisen und Rohstoffen fehlte, wurde für die Karosserie Duroplast verwendet. "Duroplast besteht im Prinzip aus Baumwolle, die aus der Sowjetunion kam, und Phenolharz aus Braunkohlenteer." Das Ganze – jeweils zehn Teile je Auto – wurde bei 180 Grad gepresst und musste wieder abkühlen. "So ein Pressvorgang dauerte acht Minuten – das war das Problem", sagt Cyliax.

Seit zehn Jahren steigt die Zahl der Trabis wieder

Dem Trabi brachte diese Eigenheit Kosenamen wie "Plastebomber" oder "Rennpappe" ein. Wegen der langen Wartezeiten waren gebrauchte Fahrzeuge häufig teurer als Neuwagen. Doch wer einen ergattert hatte, für den war er oft ein treuer Begleiter – bis zur Fahrt an die Ostsee, den Balaton in Ungarn oder bei der ersten Stippvisite nach Westdeutschland Ende 1989. Auf den Straßen wich er danach rasch Modellen von Volkswagen, Ford oder Opel.

Gut 30 Jahre später feiert der Stinker ein Comeback und hat Kultstatus – nicht nur in Ostdeutschland. Das zeigen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes. Seit rund zehn Jahren steigt die Zahl der zugelassenen Trabis. Waren es 2014 gut 32.300, wurde im vergangenen Jahr die Marke von 40.000 geknackt – davon knapp 32.000 im Osten und 8300 im Westen.

Ein ganz schön teurer Stinker

Wer einen der inzwischen zum Oldtimer geadelten Wagen kaufen will, muss immer mehr Geld hinblättern. Im Schnitt würden sie derzeit für rund 7300 Euro angeboten, sagt Gerd Heinemann vom Beratungsunternehmen BBE Automotive. Es erstellt Marktanalysen für Old- und Youngtimer. Für besondere Varianten werden gar Preise von 25.000 Euro und mehr verlangt. "Die Preise werden tendenziell weiter steigen."

Dass es in Deutschland wieder mehr Trabis gibt, sei auch auf Reimporte zurückzuführen, erklärt Heinemann. Aber vor allem die einfache Konstruktion befeuert sein Revival. Denn vieles lässt sich von Hobbyschraubern reparieren und mit vorhandenem Rahmen wird ein Trabant auch schon mal komplett neu aufgebaut.

Als Beleg führt Frank Hofmann über den Hof seines Unternehmens Trabantwelt in Zwickau. Er öffnet das Tor eines Garagencontainers. Darin kommt ein Trabant 601 Kombi in Panamagrün zum Vorschein. "Den hat mein Junior fast komplett neu aufgebaut und ist damit zu seinem Abiball gefahren."

Ressort: Panorama

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Kommentare

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Daniel Riedel

50 seit 5. Dez 2020

Die Karosserie besteht nicht aus Duroplast sondern wie bei jedem anderen Auto aus Stahl und der rostet weg wie nichts. Die Beplankungsteile (Kotflügel, Türaußenhäute, Dach, Motorhaube und Kofferraumklappe) bestehen aus dem besagten "Duroplast" welches minderwertige Baumwolle war die gepresst mit Phenolharz aus Braunkohlenteer die Außenhaut ergab. In der Produktion wurde die Stahlkarosserie tauchgrundiert, die Pappen danach montiert mit Dichtmasse, Nieten und Schrauben. Lackiert wurde erst hinterher und auf unlackierte Flächen (Radkästen/Unterboden) wurde Unterbodenschutz auf die Grundierung aufgetragen. Es gab über die Jahre über 30 verschiedene Farbtöne, meiner z.B. ist Baligelb (wie eine Limette). Ich vermute das Trabantwelt ihnen noch viel mehr erzählt hat aber das wird untergegangen sein. Für mehr Infos bitte das August Horch Museum in Zwickau besuchen oder einfach mal Google bemühen, der Artikel hier ist einfach Trash...

Norbert Riegler

8689 seit 17. Apr 2018

»... bestehen aus dem besagten "Duroplast" welches minderwertige Baumwolle war die gepresst mit Phenolharz aus Braunkohlenteer die Außenhaut ergab.« - Duroplast ist ein Sammelbegriff für härtbare Kunststoffe, unter den auch das für die »Trabis« verwendete Material fällt. Baumwolle und Phenolharz, das ist richtig, aber das zur Herstellung benötigte Phenol wurde überwiegend aus Steinkohlenteer gewonnen. Im Braunkohlenteer ist nämlich nur wenig enthalten. Steinkohlenteer gab es auch in der DDR, er fällt bei der Koks- und Stadtgasherstellung als Nebenprodukt an und Gaswerke und Kokereien gab es auch in der DDR. Die Steinkohle wurde wohl teilweise aus Polen und der Sowjetunion importiert. Es gab zwar auch in Sachsen Steinkohlebergwerke (etwa bei Zwickau), aber die wurden schon in den 1970er Jahren stillgelegt.
Einer der ersten (steinkohlen-) teerverarbeitenden Betriebe in Europa war die Teerproduktenfabrik in Erkner bei Berlin, später VEB Teerdestillation und Chemische Fabrik Erkner.


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