Account/Login

Tiere

Wenn Eulen im Hospiz zu Besuch sind

  • Birgit Reichert

  • Mi, 12. April 2023, 19:53 Uhr
    Panorama

     

Therapie-Eulen sorgen beim Besuch in einem Koblenzer Hospiz für ganz besondere Momente. Mit den zahmen Vögeln sind die "Falkner der Herzen" inzwischen bundesweit unterwegs.

Seit seiner Kindheit „Eulen-Fan“: Bewohner Jose Lay streichelt die Weißgesichtseule Merlin auf der Terrasse im Koblenzer Hospiz. Foto: Sascha Ditscher (dpa)
1/3
Horst Demsky ist schwach und kann nicht mehr aufstehen. Deshalb kommen die Eulen im Hospiz St. Martin in Koblenz zum Besuch an sein Bett. Ruhig sitzen sie auf Falkner-Handschuhen auf der Bettdecke, Demksy streichelt ihnen über das Gefieder. "Schatzi, fein", sagt er mit leiser Stimme zu ihnen. Und nach einer Weile: "Ich habe auch zwei Papageien gehabt." Immer wieder lächelt er, während Falknerin Katharina Häfner ihm die Vögel vorstellt: Schleiereule Emma und Weißgesichtseule Merlin mit den leuchtend orangenen Augen.

"Wir bringen den Menschen dort noch einmal eine Freude und vielleicht ein bisschen Glück mit." Katharina Häfner, Falknerin
Es sind erkennbar Minuten der Freude, die die Visite bei Demsky auslöst. Genau das ist es, warum Häfner tiergestützte Therapie mit Eulen anbietet. Mit ihrem Team "Falkner der Herzen", das in Bisterscheid in der Nordpfalz zu Hause ist, besucht sie bundesweit unter anderem Hospize und palliative Kinderhospize ehrenamtlich. In Hospizen werden unheilbar Kranke in ihrer letzten Lebensphase begleitet und versorgt. "Wir bringen den Menschen dort noch einmal eine Freude und vielleicht ein bisschen Glück mit", sagt Häfner (29).

Ein Highlight – auch für Angehörige der Bewohner

Bei Demsky ist es geglückt. "Das war eine schöne Überraschung", findet er. Der Eulen-Besuch, der dritte im Hospiz, sei "ein ganz besonderes Ereignis", sagt die stellvertretende Hospizleiterin Ingrid Ferdinand. Man erlebe bei den schwerstkranken Menschen, welche Begeisterung die Tiere hervorriefen. "Man sagt immer: Im Hospiz ist alles so traurig. Einer unserer Grundsätze ist, dass wir den Tag, den wir haben, so gut leben, wie es möglich ist. Und das ist so ein Highlight."

Auch für Angehörige. In einem anderen der Zimmer liegt Swen Pinkatschek. Hirntumor. An seinem Bett sitzt seine Frau. Sie freut sich, als ihr Sohn Claas mit der kleinen Eule Merlin und Falknerin Häfner mit der Schleiereule ins Zimmer kommen. "Das ist das erste Mal, dass Eulen uns so nahe sind", sagt Tamara Pinkatschek. Claas, der an dem Tag seinen siebten Geburtstag hat, setzt die Eule aufs Bett: "Papa, du musst immer hier so streicheln, das mag sie." Der besondere Moment wird mit vielen Fotos festgehalten.

"Eulen bringen ganz viel Ruhe. Eulen machen leise", sagt Häfner, die gebürtig aus Eutin in Schleswig-Holstein stammt. Das sei vielleicht etwas, das ein bisschen anders sei als bei ähnlichen Einsätzen mit anderen Therapie-Tieren wie Hunden oder Alpakas. Aus ihren Erfahrungen mit den Eulen erzählt sie: "Die Menschen fangen mehr an zu reden." Und so ein Besuch bringe viele Erinnerungen zurück. "Man öffnet im Kopf eine Tür."

Beispielsweise beim Besuch von Menschen mit Demenz oder Alzheimer. Häfner erzählt: "Man fragt: Wie heißt du? Und dann sagt die Person ‚Dirk Müller’. Und daneben steht das Pflegepersonal und sagt: ‚Er weiß seinen Namen eigentlich seit fünf Jahren nicht mehr’."

Begeistert von den Eulen ist auch Hospiz-Bewohner Jose Lay. Er sei seit seiner Kindheit "Eulen-Fan", erzählt er auf der Terrasse im Koblenzer Hospiz. "Abends bei meinem Zuhause habe ich auch Eulen gehört." In seinem Zimmer hat er eine Sammlung von Eulen-Figuren unter anderem aus Keramik. "Eulen sind sehr intelligente und sehr schöne Tiere". Bei dem Besuch hat er nur Augen für die Eulen, streichelt auch einen großen Uhu. "Ich war noch nie so nah dran. Es ist ein schönes Erlebnis."

Die Tiere können gestreichelt und bekuschelt werden

"Kuscheln, streicheln und küssen – das geht alles", sagt Falknerin Häfner zum Umgang mit den Therapie-Vögeln. "Sie sind das gewohnt." Die Tiere seien von klein auf mit der Hand aufgezogen. "Wir bekommen sie, wenn sie zehn bis 14 Tage alt sind. Sie leben bei uns in der Küche und liegen abends mit uns auf dem Sofa im Wohnzimmer und sie bekommen ganz viel Liebe und Zuneigung." Und sie wüssten: "Wenn ich auf einem Handschuh sitze, dann ist das Arbeitszeit."

In der Falknerei in Bisterscheid gebe es 45 Vögel, die meisten davon Eulen. Häfner ist seit sechs Jahren im Team, ihr Mann Achim Häfner mache das seit mehr als 20 Jahren. Sie besuchten auch Altenheime, Schulen oder Kindergärten, die für Besuche bezahlten. In Berlin gebe es besonders viele Einrichtungen, die sie buchten, erzählt Häfner. "Da sind wir zweimal im Jahr jeweils zwei bis drei Wochen." Für sie sei ein Besuch wie in Koblenz "eine Erfüllung und eine totale Herzenssache": "Wenn ich da einen Menschen habe, den ich tief im Herzen erreicht habe, dann habe ich es für genau diesen gemacht", sagt sie.

Das stationäre Hospiz in Koblenz will den Eulen-Besuch in Zukunft wiederholen. Die "Gäste" im Hospiz hätten Erkrankungen, die austherapiert seien. "Wir gehen über ins Palliative", sagt Ferdinand. Aus einem Erlebnis wie dem Eulen-Besuch schöpften auch Betreuer und Pflegekräfte Kraft. "Das ist Balsam für die Seele. Für beide Seiten."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 13. April 2023: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel