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Zisch-Interview

"Ich habe eine Spinne entdeckt"

  • Klasse 4c, Hebelschule (Schliengen-Liel)

  • Fr, 31. März 2023
    Zisch-Texte

     

Im Naturhistorischen Museum in Basel arbeiten viele Wissenschaftler. Einer von ihnen ist der Arachnologe Angelo Bolzern, der bereits eine neue Spinnenart entdeckt und sie nach seinem Sohn benannt hat.

Bei einem Ratespiel durch das Museum sind die Kinder Dinoforscher.  | Foto: Nina Witwicki
Bei einem Ratespiel durch das Museum sind die Kinder Dinoforscher. Foto: Nina Witwicki
Zisch-Aktionstage bieten für die Nachwuchsreporterinnen und Nachwuchsreporter immer besondere Rechercheanlässe. Die Kinder der Klasse 4c der Hebelschule Schliengen-Liel haben gemeinsam ein Interview geführt.

Zisch: Wieso interessieren Sie sich so für Spinnen?
Bolzern: Ich interessiere mich für Spinnen, weil es sehr viele Arten und noch so viel zu erforschen gibt. Bei den Wirbeltieren ist schon viel bekannt.
Zisch: Sind Spinnen Ihre Lieblingstiere?
Bolzern: Jetzt schon, ja. Als ich in eurem Alter war, waren Tiger noch meine Lieblingstiere.

Zisch: Welche Spinnenart mögen Sie am liebsten?
Bolzern: Ich habe eine neue Spinne entdeckt und die nach meinem Sohn benannt, das ist meine Lieblingsspinne. Sie heißt "Histopona fioni" und der Name meines Sohnes ist Fion. Das "i" muss am Schluss stehen, weil es für die Wissenschaft nötig war.
Zisch: Wie alt kann eine Spinne werden?
Bolzern: Die allermeisten Spinnen bei uns werden etwa ein Jahr alt. Es gibt auch große Spinnen, zum Beispiel Vogelspinnen, die werden mehrere Jahre alt.

Zisch: Wie viele Spinnenarten gibt es? Wie viele Arten existieren in Deutschland?
Bolzern: Es gibt über 50.000 Spinnenarten weltweit, die beschrieben sind und deren Namen man kennt. In der Schweiz sind es etwa 1000 und in Deutschland etwas mehr als 1000 Arten.

Zisch: Wie groß ist eine Spinnenfamilie?
Bolzern: Das ist unterschiedlich. Eine Spinnenfamilie kann eine Mutter mit vielen Jungen sein. Nehmen wir die Wolfsspinne als Beispiel, dann können das mehr als 100 Babys sein. Die Wolfsspinne trägt ihre Jungen sogar auf dem Rücken mit, wenn sie aus den Eiern geschlüpft sind. Daher kann man sehr überrascht sein, wenn man draußen eine Spinne fängt und dann die Hand öffnet und dann alles voll mit kleinen Spinnen ist.
Zisch: Welches ist die giftigste Spinne der Welt und wo lebt sie?
Bolzern: Die giftigste Spinne der Welt lebt in Australien. Es ist die Sydney-Trichternetzspinne. Sie ist sehr giftig. Wenn jemand gebissen wird, muss er sofort zum Arzt.

Zisch: Wie spinnt eine Spinne und woher holt sie ihren Faden?
Bolzern: Die Spinne hat einen Vorder- und einen Hinterkörper. Der hintere Teil ist ein bisschen länger und ganz an seinem Ende gibt es Spinnwarzen – das sind so kleine Ausstülpungen. Sie sehen ein bisschen wie ein kleines Schwänzchen aus. Darauf haben sie eine Öffnung und daraus kommt der Spinnfaden. Im Körper ist die Spinnseide noch flüssig und sobald sie an die Luft kommt, wird sie zu einem Faden. Im Körper wird die Spinnseide also produziert, und dann kann die Spinne sie mit einem Muskel aus den Drüsen rauswerfen. Der Faden ist klebrig, und während sich die Spinne vorwärts bewegt, wird der Faden rausgezogen und wird fester.

Zisch: Sind die Netze von allen Spinnenarten mit der gleichen Technik gesponnen?
Bolzern: Nein, da gibt es unglaublich viele Unterschiede. Wir kennen meistens das fast runde Netz der Gartenkreuzspinne, das typische Spinnennetz. Aber es gibt auch Spinnennetze, die sind flach oder dreieckig, beispielsweise in Ecken eines Hauses. Im Frühling sieht man ganz viele kleine Spinnennetze im Gras, die sehen wiederum komplett anders aus. Dann gibt es auch noch Spinnen, die zwar Spinnenseide haben, aber gar keine Netze machen. Die Wolfsspinne mit den großen Augen springt zum Beispiel auf ihre Beute. Jede Spinnenart hat ihr eigenes Netz. Man kann an den Netzen einer Spinne erkennen, welcher Art sie angehört.

Zisch: Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Bolzern: Ich habe in Basel Biologie studiert und bin auf einer Exkursion mit einem Kurator des Naturhistorischen Museum ins Gespräch gekommen. Er war Spinnenforscher, und dann ist das einfach so passiert. Plötzlich ist man Spinnenforscher und findet das sehr toll. Ich glaube, es hätte ebenso gut passieren können, dass ich Dinosaurierforscher geworden wäre, wenn ich im Zug neben einem Dinosaurierforscher gesessen hätte. Es war also auch Zufall.

Zisch: Was ist Ihr derzeitiges Forschungsprojekt?
Bolzern: Momentan habe ich drei neue Spinnenarten aus der Türkei bei mir, die ich beschreiben muss. Für die Entdeckung einer neuen Art muss man als Wissenschaftler einen Aufsatz schreiben und die neue Art beschreiben. Man muss sich einen neuen Namen ausdenken, die Spinne ganz genau fotografieren und dann alles veröffentlichen.

Zisch: Seit wann sind Sie Wissenschaftler? Wie lange dauert die Ausbildung?
Bolzern: Man muss zuerst das Gymnasium abschließen und dann an der Universität ein Bachelorstudium in Biologie machen, das geht zwei bis drei Jahre. Danach folgt das Masterstudium, das geht auch nochmal zwei Jahre. Wenn man dann noch Forscher oder Forscherin werden will, muss man eine Doktorarbeit machen. Bei mir ging das sechs Jahre, bei anderen kann das kürzer oder länger dauern. Sechs Jahre ist eine lange Zeit, aber wenn man die Doktorarbeit hat, dann weiß man viel über sein Thema. Dann ist man oftmals weltweit einer der Besten auf diesem kleinen Themengebiet.
Zisch: Warum arbeiten Sie als Spinnenforscher in einem Museum?
Bolzern: Ich bin hier wie eine Lehrperson angestellt. Wir haben im Museum aber auch Forscherinnen und Forscher, die nur mit Spinnen arbeiten. Im Keller des Naturhistorischen Museums haben wir eine große Sammlung von Spinnen, die in Alkohol eingelegt sind und erforscht werden. Das Museum besteht nicht nur aus der Ausstellung, sondern auch aus den Sammlungen. Eine dieser Sammlungen sind die Spinnen, und deshalb ist ein Spinnenforscher im Museum.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 31. März 2023: PDF-Version herunterladen

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